Sterbetafeln ist wirklich kein schöner Begriff. Es geht bei Sterbetafeln auch nicht um ein schönes Thema. Es geht um die statistische Lebenserwartung, also wie lang ein Mensch leben wird und wie alt er wird. Kurioserweise sind verschiedene Statistik darüber verfügbar. Die privaten Renten- und Lebensversicherungen rechnen mit einer viel höheren Lebenserwartung als das Statistische Bundesamt. Warum? Das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) erklärt das aus Sicht der Finanzbranche wie folgt.
Wie alt wird ein im Jahr 2011 geborenes Mädchen werden? Auf diese Frage gibt es ganz unterschiedliche Antworten: Knapp 83 Jahre, erfährt man vom Statistischen Bundesamt. Gut 102 Jahre heißt es bei der Deutschen Aktuarvereinigung, den Mathematikern der deutschen Versicherungen. Im Durchschnitt wohlgemerkt. Beide Institutionen berufen sich auf Sterbetafeln. Das sind mathematische Instrumente, mit denen die wahrscheinliche Lebenserwartung eines Geburtsjahrgangs, einer Gruppe von Menschen oder eines Individuums im Alter von heute x Jahren ermittelt wird.
Sterbetafeln Statistisches Bundesamt contra Rentenversicherungen
Doch Sterbetafel ist nicht gleich Sterbetafel. Die unterschiedlichen Auskünfte über die Lebenserwartung des neugeborenen Mädchens gehen auf unterschiedliche Methoden zurück, so das Deutsche Institut für Altersvorsorge. Das Statistische Bundesamt führt eine Periodensterbetafel. Sie berechnet die altersspezifischen Überlebenswahrscheinlichkeiten je nach Geschlecht für die Gesamtbevölkerung nach heutigen Erfahrungen. Das wahrscheinliche Lebensalter würde sich ergeben, wenn künftig keine Veränderung in der Sterbewahrscheinlichkeit („Mortalität“) eintreten würde. Weil die Menschen aber immer älter werden, „überholt“ das Leben die Sterbetafeln des Statistischen Bundesamtes immer wieder.
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Sterbetafeln der Versicherungen mit Trendfaktor
Der Deutsche Aktuarverein rechnet anders, somit auch die Versicherungen. Die Sterbetafel DAV 2004 R, nach der im Jahr 2011 geborene Mädchen im Durchschnitt gut 102 Jahre alt werden, ist eine Kohorten- oder Generationensterbetafel. Sie berechnet die Sterblichkeit nicht nur nach Geschlecht und Alter, sondern zusätzlich nach Geburtsjahrgängen. “Dabei wird die steigende Lebenserwartung künftiger Generationen berücksichtigt. Es handelt sich um eine dynamische Sterbetafel, die den kommenden Trend schon mit einrechnet”, erläutert DIA.
Sterbetafeln sogar bei Lebens- und Rentenversicherungen verschieden
Die Sterbetafel DAV 2004 R dient als Rechengrundlage für private Rentenversicherungen. Sie berücksichtigt die spezielle Lebenserwartung von Versicherten mit einer privaten Lebensversicherung. Die Sterblichkeit von Rentenversicherten ist geringer als die Sterblichkeit in der Gesamtbevölkerung, denn wer freiwillig finanziell vorsorgt, der rechnet subjektiv mit einer normalen bis längeren Lebenserwartung und bemüht sich mehr oder weniger stark um eine gesunde Lebensweise, schon weil er die Mittel dazu hat. Personen mit einer privaten Rentenversicherung haben im Durchschnitt ein höheres Einkommen und eine höhere Bildung. Sie rauchen seltener. In der Summe aller Eigenschaften leben sie auch länger, so die Erkenntnisse der Versicherungsunternehmen.
Anders verhält es sich mit Versicherten, die eine Todesfallversicherung abschließen. Sie rechnen subjektiv mit einer tendenziell geringeren Lebenserwartung. “Deshalb kalkulieren die Todesfallversicherer mit einer anderen Sterbetafel als die Rentenversicherer. Das schreibt Paragraf 11 des Versicherungsaufsichtsgesetzes im Übrigen auch so vor”, schreibt Deutsche das Institut für Altersvorsorge (DIA).
Sterbetafeln entscheiden über Rentenhöhe
Für Verbraucher spielen Sterbetafeln im Hintergrund immer dann eine Rolle, wenn sie eine Lebens- oder Rentenversicherung oder eine private Krankenversicherung abschließen wollen, denn der Beitrag für eine bestimmte Leistung, zum Beispiel für eine lebenslange monatliche Rente, hängt davon ab, wie lange der Versicherte nach der Kalkulation des Versicherers voraussichtlich leben wird. Bei lebenslangen Rentenversicherungen muss die Kalkulation besonders vorsichtig vorgenommen werden, denn die Lebensalterprognosen in den Sterbetafeln sind Durchschnittswerte.
Das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) zieht als Fazit:
Es könnte also sein, dass das im Jahr 2011 geborene Mädchen nicht 102, sondern 108 Jahre oder gar noch älter wird. Auch dann muss der Versicherer die garantierte Rente noch zahlen können. Wenn er generell mit zu kurzen Lebenserwartungen gerechnet hat, droht ihm die Pleite. Andererseits fallen bei Sterbetafeln mit zu großen Sicherheitspuffern Risikogewinne an. Sie werden allerdings nur zu 75 Prozent den Versicherten gutgeschrieben. Daran entzündet sich öffentliche Kritik. Eine geänderte Verteilung der Risikogewinne, wonach die Versicherten 90 oder 95 Prozent erhalten, könnte die Diskussion um die Sterbetafeln spürbar entschärfen.