Versicherungsvertreter verkaufen schon Auszubildenden langlaufende Versicherungen. Waren die jungen Kunden bei der Unterschrift aber noch minderjährig, können sie unter Umständen noch Jahre später das gesamte Geld zurückfordern – wenn sie längst erwachsen geworden sind.
Für das erste eigene Geld haben Versicherungsvertreter schnell Vorschläge parat. Besonderes gerne verkaufen sie Lebens- und Rentenversicherungen, mit dem Sparen könne schließlich gar nicht früh genug begonnen werden. So kommt es, dass sich schon 16-jährige Azubis mitunter bis zum Rentenalter binden. Der Haken dabei: Minderjährige ab dem 7. Lebensjahr sind nur beschränkt geschäftsfähig. Ausgenommen davon sind lediglich so genannte Taschengeld-Geschäfte (Taschengeldparagraph, § 110 BGB). Damit sind Verträge gemeint, bei denen die Pflichten mit eigenem Geld sofort erfüllt werden können. Schließen junge Leute hingegen Verträge ab, die länger als ein Jahr über die Volljährigkeit hinaus Folgen haben, muss das Vormundschaftsgericht zustimmen (Paragraph 1822 BGB).
Versicherungsvertrag vor Volljährigkeit „schwebend unwirksam“
Fehlt diese Zustimmung des Vormundschaftsgerichtes, sind solche langlaufenden Verträge „schwebend unwirksam“, wie Juristen es nennen. Nur wenn der junge Mensch die Versicherung nach seiner Volljährigkeit als dann voll geschäftsfähiger Erwachsener fortführen will und den Abschluss genehmigt (Paragraph 1829 BGB), wird der Vertrag wirksam.
Wie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) dazu mitteilt, muss die Genehmigung „ausdrücklich“ erfolgen. Aber was gilt, wenn die Prämien weitergezahlt werden? Ist das eine ausdrückliche Genehmigung? Die Bafin dazu: „Ob die Weiterzahlung der Prämien durch den Versicherungsnehmer nach Erreichen seiner Volljährigkeit als (konkludente) Genehmigung anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls und kann nicht pauschal beantwortet werden.”
Manche Versicherungen zahlen das Geld offenbar ohne großes Murren zurück, berichten Rechtsanwälte. Andere müssen verklagt werden. So wie im Fall Tokio Hotel.
Tokio Hotel: 240.000 Euro zurück von Allianz Lebensversicherung
Die berühmten Tokio-Hotel-Brüder klagten gegen die Allianz Lebensversicherung vor dem Berliner Landgericht (Aktenzeichen 23 O 273/12) und forderten 240.000 Euro zurück. Ihre Mutter hatte für die damals noch 16-jährigen zwei Rürup-Rentenversicherungen bei der Allianz Lebensversicherung unterschrieben, in die jährlich je 20.000 Euro eingezahlt werden sollten. Die Zustimmung eines Vormundschaftsgerichts wurde nicht eingeholt. Die Allianz Leben indes meinte, die beiden Kunden seien zur Volljährigkeit angeschrieben worden und hätten danach noch vier Jahr lang weitergezahlt – das sei als Genehmigung zu werten. Ein Urteil wurde gar nicht gesprochen: „Wir haben uns für eine kundenfreundliche Lösung des Konflikts entschieden und unseren Kunden Bill und Tom Kaulitz die geleisteten Beiträge zurückgezahlt“, zitiert die Stiftung Warentest Allianz-Sprecher Udo Rössler.
Gut zu wissen: Bei einem „schwebend unwirksamen“ Versicherungsvertrag muss der Versicherer im Schadensfall immer zahlen, so die Bafin: „Der Versicherer muss leisten, da es dieser in der Hand hat, den rechtlichen Schwebezustand zu beseitigen.“