Die Zinsen für eine Baufinanzierung sind niedrig wie nie. Warum also nicht gleich eine Baufinanzierung ohne Eigenkapital ((auch Vollfinanzierung genannt). Ist das sinnvoll? Die Frage ist naheliegend, denn die Immobilienpreise steigen und steigen – das Eigenkapital leider nicht so schnell.
Eine goldene Regel der Baufinanzierung lautet: Etwa ein Viertel des Geldes sollte der Häuselbauer schon gespart haben – den Rest kann er als Hypothek aufnehmen. Doch Banken bieten auch so genannte 100-Prozent-Finanzierungen an für Immobilien-Erwerber ohne jegliches Eigenkapital. Kann das sinnvoll sein? Dass 20 bis 30 Prozent der Anschaffungskosten einer Immobilie als Eigenkapital vorhanden sein sollten, hat gute Gründe. „So kann der Eigentümer bei einem Notverkauf etwa wegen Arbeitslosigkeit einen kleinen Verlust hinnehmen und wäre trotzdem seine Schulden los. Er käme mit einem blauen Auge davon“, sagt Jörg Sahr, Immobilienexperte bei der Stiftung Warentest.
Zunächst waren es ausländische Banken, die damit begonnen haben, auf das sonst stets geforderte Eigenkapital zu verzichten. Zunehmend ziehen einheimische Banken nach. Allerdings sollten die Nachteile der neuen Finanzierungsangebote klar sein.
- Zinsaufschlag: Im Vergleich zu einer 80-prozentigen Beleihung verlangen die Vollfinanzierer einen Zinsaufschlag von etwa 0,3 Prozentpunkte, je nach Zinsbindungsfrist. Schon das erhöht die monatliche Belastung.
- Monatsrate: Da die Schulden größer sind, muss mehr getilgt werden, die Monatsrate fällt auch deswegen deutlich größer aus.
- Anschlussfinanzierung: Wenn nach dem Ende der Zinsbindungsfrist das Zinsniveau gestiegen sein sollte, macht sich das ebenfalls in höheren Raten bemerkbar. Der Vollfinanzierer ist davon ungleich mehr betroffen als der Immobilien-Erwerber mit Eigenkapital.
Diese deutlich höheren Belastungen müssen verkraftbar sein – jetzt und nach einer wahrscheinlichen Zinserhöhung in der Anschlussfinanzierung. Ein Jobverlust oder etwa ein ungeplantes Kind können die Finanzierung sehr viel schneller ins Wanken bringen als eine Finanzierung mit Eigenkapital. Für Beamte mit weitgehend sicherem Einkommen kommt das eher in Frage als für Selbstständige mit vielen Aufs und Abs beim Verdienst. Die meisten Banken verlangen ohnehin eine Festanstellung seit mehreren Jahren und setzen zudem ein Limit für den maximalen Kredit abhängig vom bisherigen Nettoeinkommen.
Deutsche Bank: Besser mit mindestens 20 Prozent Eigenkapital finanzieren
Eva Grunwald, Leiterin Baufinanzierung der Deutschen Bank, erklärt hier hingegen, warum sie eine ausreichend hohe Eigenkapitalquote für wichtig hält und wie sich unnötige Risiken bei der Baufinanzierung vermeiden lassen.
„Viele Menschen nutzen das niedrige Zinsniveau, um sich den Traum vom eigenen Zuhause zu erfüllen. Eine gute Entscheidung – doch sollten sich Baufinanzierungskunden nicht dazu verleiten lassen, finanzielle Risiken einzugehen, die sie später nicht tragen können”, sagt Eva Grunwald. Die eigene finanzielle Leistungsfähigkeit sollte realistisch eingeschätzt werden, damit die Baufinanzierung auf einem soliden Fundament steht. Das wäre ohne Eigenkapital sicher nicht der Fall. Das sollten Bauherren und Käufer bedenken:
- Zunächst sollten Käufer die Gesamtkosten solide kalkulieren. Neben dem Kaufpreis dürfen dabei die Nebenkosten nicht vergessen werden, die zum Beispiel für Grunderwerbssteuer, Notar oder Makler anfallen. Sie erhöhen die zu finanzierende Summe um etwa 10 Prozent.
- Zu beachten ist auch, dass Baukosten höher ausfallen können als kalkuliert. Für Zusatzkosten sollte eine finanzielle Reserve vorhanden sein, denn eine Nachfinanzierung durch Aufnahme eines zusätzlichen Kredits kann die Finanzierung verteuern.
- Auch beim Kauf eines bestehenden Objekts können ungeplante Zusatzkosten entstehen, wenn etwa die Renovierung aufwendiger ausfällt als ursprünglich geplant.
Besser Sondertilgungen bei Baufinanzierung vereinbaren
Die Eigenkapitalquote sollte in der Regel 20 Prozent nicht unterschreiten, eine Baufinanzierung ohne Eigenkapital ist also nicht ratsam. „Ein Immobilienkauf muss nachhaltig finanzierbar sein. Außerdem sollte ein zusätzliches Kapitalpolster vorhanden sein, um den möglichen Nachfinanzierungsbedarf abzudecken”, so Eva Grunwald. Bleiben die Kosten im kalkulierten Rahmen, kann das zurückgelegte Kapital später für eine Sondertilgung genutzt werden, wenn die Baufinanzierung eine entsprechende Option vorsieht.
Baufinanzierung: Alle Ratgeber im Überblick
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Hallo Herr Kunze,
vielen Dank für Ihren Beitrag, er hat mir schon sehr weiter geholfen! Meine Frau und ich sind der Überlegung ein kleines Haus unser Eigen nennen zu dürfen: Wir haben bislang noch nicht so viel angesparen können, aber sind dennoch ganz versessen darauf nicht länger zu warten. Mir war bewusst, dass unser Kredit höher sein wird als mit mindestens 20-30% Eigenkapital (und dem noch dazu höheren Zinsbetrag), aber gibt es andere Möglichkeiten? Ist es ratsam bei verschiedenen Kreditinstituten gleichzeitig jeweils einen kleineren Kredit zu beantragen?
Mit freundlichen Grüßen
Daniel H.
Die Wohnimmobilienkreditlinie enthält mehrere Entschärfungen. Echt sinnvolle Tipps zur Finanzierung, danke! Mit einem variablen Einkommen, wie bei meinem Sohn, wäre vielleicht die Variante mit Sondertilgungen am besten, besonders in solch einer Großstadt wie Hamburg, wo man Nebenjobs doch ab und zu finden kann. Danke für die Anregungen!
Ein sehr interessanter und informativer Beitrag.
Ein Haus kaufen ohne Eigenkapital zu besitzen? Ich hätte nicht gedacht dass das so einfach geht, habe mich aber auch noch nicht allzu sehr damit beschäftigt.
Toller Blog, weiter so!!!