Laut einem Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) sind die 6 Prozent Zinsen, die Finanzämter bei Steuernachzahlungen erheben (bei Steuererstattungen aber auch zahlen müssen), „realitätsfern und unbegründet“ (Az. IX B 21/18). Es bestünden „schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel“, ob der Zinssatz dem Rechtsstaatsprinzip des Übermaßverbotds entspreche, so die Richter. Dabei geht es um die Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015, nicht davor. Nun muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden.
Trotz Mini-Zins-Zeit werden für jeden Monat Verspätung bei einer Steuer-Nachzahlung 0,5 Prozent kassiert, aufs Jahr gesehen sechs Prozent.Paragraf 233a Abs.1, Satz 1 der Abgabenordnung regelt: “Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag (…), ist dieser zu verzinsen.“ Paragraf 238 legt Höhe und Berechnung der Zinsen fest: “Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent.“ Der Zinsanpruch des Finanzamtes entsteht nach 15 Monaten, unabhängig davon, ob den Steuerzahler eine Schuld an der verspäteten Steuerfestsetzung trifft oder nicht.
Die Zinsen wurden 1990 geregelt – in einer Hochzinsphase
Die Verzinsungspflicht wurde 1990 festgelegt, in einer Hochzins-Phase. Sie ist deshalb nicht mehr zeitgemäß, meinte ein Steuerzahler schon vor ein paar Jahren und klagte ebenfalls vor dem Bundesfinanzhof. Dabei ging es um den Zeitraum bis März 2011. Der BFH war in diesem Fall noch nicht überzeugt, dass der Gesetzgeber im Zeitraum bis zum März 2011 von Verfassungs wegen (schon) dazu verpflichtet gewesen sei, die Höhe des gesetzlichen Zinses an das niedrige Marktzinsniveau für Geldanlagen anzupassen. Zum einen sei der gesetzliche Zinssatz nicht nur mit den am Markt erzielbaren Anlagezinsen zu vergleichen, sondern auch mit den für die Inanspruchnahme von Darlehen zu zahlenden Zinsen. Zum andern hätte sich erst nach dem Zeitraum, der im Streitfall zur Beurteilung stand, die Zinsen dauerhaft auf niedrigem Niveau stabilisiert (Az: IX R 31/13).
Bundesfinanzhof ließ hohe Zinsen 2014 noch durchgehen
Das konne man so interpretieren: Eine neue Klage hätte mehr Chancen auf Erfolg, was sich nun auch bewahrheitete. Allerdings wird es bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes wohl noch dauern.
Gut zu wissen: Die sechs Prozent können auch der Steuerzahler zugute kommen. Geht eine Steuererstattung verspätet ein, muss das Finanzamt ebenfalls 0,5 Prozent Erstattungszins für jeden vollen Monat zahlen. Der Verzinsungszeitraum beginnt gleichfalls 15 Monate nach Ablauf des Steuerjahres und endet mit der Zusendung des Steuerbescheids. Über jeden Monat, den der Bescheid noch auf sich warten lässt, kann sich der Steuerzahler freuen – sofern er eine Erstattung bekommt.
Bei Widersprüchen kann es dauern
Aus einer durchschnittlichen Steuererklärung wird jedoch selten eine topverzinste Geldanlage. Die Finanzämter schaffen das zumeist innerhalb der 15-Monate-Frist. Anders sieht es aus, wenn es Streit gibt und der Fall vor dem Finanzgericht landet. Das kann dauern. Bis zu einer Entscheidung in der ersten Instanz vergehen im Bundesdurchschnitt über zwei Jahre. Gewinnt der Steuerzahler, kann er sich über eine Erstattung plus konkurrenzlos hohe Zinsen freuen.
Wer z.B. mit dem Bescheid eine vermutlich ungerechtfertigte Nachzahlung aufgebrummt bekommt, zahlt den Betrag am besten – und holt sich das Geld plus Zinsen im Einspruchs- oder Klageverfahren zurück. Die Alternative wäre, eine „Aussetzung der Vollziehung“ zu beantragen. Dann muss die Nachzahlung zunächst nicht geleistet werden – es gibt aber später auch keine Zinsen dafür.
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