Entbindet ein Patient die ihn behandelnden Ärzte ihrer Schweigepflicht gegenüber seiner Krankenkasse, darf die Versicherung alle dadurch gewonnenen Informationen in einem Regressverfahren verwenden. Selbst wenn der Patient noch vor der Gerichtsverhandlung die Entbindung von der Schweigepflicht wieder zurücknimmt. Aus rechtlicher Sicht führt der Widerruf eines Einverständnisses grundsätzlich nicht zum rückwirkenden Entfallen der Zustimmung. Das hat das Oberlandesgericht München entschieden (Az. 1 U 4156/12).
Wie die telefonische Rechtsberatung der Deutschen Anwaltshotline (www.anwaltshotline.de) berichtet, suchte ein Mann wegen Ischiasbeschwerden zunächst seinen Hausarzt auf. Der verabreichte ihm eine Infiltration und intramuskulär ein Schmerzmittel. Der Schmerz ließ allerdings nicht nach, weshalb sich der Mann noch in der Nacht in die Ambulanz eines Krankenhauses begab. Dort wurde er stationär behandelt, musste aber schon drei Tage nach der Entlassung erneut vom Notarzt in die Klinik gebracht werden.
Grund genug für den Mann, an der Kompetenz des Klinikums zu zweifeln und sich wegen vermuteter Fehlbehandlung um Hilfe an seine Krankenkasse zu wenden. Die ließ sich von dem Patienten eine Erklärung zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht ausstellen und erhielt daraufhin auch die angeforderten Krankenunterlagen. Akten, die tatsächlich den Schluss zuließen, dass der Versicherte ärztlich fehlerhaft behandelt worden war und dadurch unberechtigte Behandlungskosten entstanden sind. Geld, das die Krankenkasse nun vor Gericht zurückerstreiten wollte.
Doch da stellte sich plötzlich der Patient als Initiator quer. Er habe nicht bedacht, dass ja von dem Regressverfahren auch sein Hausarzt betroffen sein könnte, was er auf keinen Fall wolle. Weshalb er die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht in seinem Fall nunmehr wieder zurückziehe. Womit sich das Gerichtsverfahren wohl mangels verwertbarer Beweismittel erledigt hätte.
Ein Trugschluss jedoch, wie die bayerischen Oberlandesrichter betonten. Der inzwischen erfolgte Widerruf hindert die Krankenkasse nicht an der Nutzung ihres rechtmäßig erlangten Wissens aus dem Behandlungsverhältnis und auch nicht am Einsatz der rechtmäßig erlangten Kopien der Krankenakte zu Beweiszwecken. In deren Besitz ist sie mit Einverständnis und hier sogar auf Initiative des Patienten gelangt. Sie war damit ausdrücklich autorisiert, die Unterlagen zur Kenntnis zu nehmen, etwaige Behandlungsfehler zu ermitteln und Regressforderungen gegenüber den Ärzten geltend zu machen, bei denen sich Anhaltspunkte für Fehler ergeben haben. Die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens kann auch nicht rückwirkend entfallen.
Eine Krankenkasse ist im Übrigen immer rechtlich befugt, Regressansprüche wegen behaupteter Behandlungsfehler geltend zu machen. “Der Anspruchsübergang ist dabei nicht von einer Zustimmung des Patienten abhängig. Im Gesetz findet sich dafür auch kein Vetorecht des Patienten gegenüber den Sozialträgern”, erklärt Rechtsanwältin Tanja Leopold.