Laut einer Überstunden Studie wird in Deutschland von fast jedem zweiten Arbeitnehmer erwartet, dass er über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zeitliche Flexibilität zeigt. Mancher Arbeitnehmer fragt sich: Wie viele Überstunden sind eigentlich erlaubt – und wie müssen sie entlohnt werden?
Die Pflichten: Wenn der Arbeitgeber Überstunden verlangt, so muss der Arbeitnehmer dem praktisch immer nachkommen, sofern der Betriebsrat zugestimmt hat. Die Pflicht dazu ergibt sich meist aus dem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder dem Arbeitsvertrag.
Selbst wenn nichts dazu geregelt wurde: Der Arbeitgeber kann darauf pochen, dass es zu den so genannten Nebenpflichten eines Arbeitnehmers gehört, die Firma vor Schaden zu bewahren. Der Schaden könnte darin bestehen, dass ein großer Auftrag verloren geht, weil auf eine verspätete Warenlieferung nicht reagiert werden kann.
Wer Überstunden verweigert, riskiert eine Abmahnung
“Wer sich weigert, riskiert eine Abmahnung – unter Umständen sogar eine Kündigung”, sagt die Düsseldorfer Rechtsanwältin Katia Genkin. Die Gerichte urteilen in der Regel streng. So sah das Arbeitsgericht Frankfurt/Main den fristlosen Rausschmiss eines Mitarbeiters als gerechtfertigt an, der beharrlich Überstunden abgelehnt hatte (Az: Ca 9795/04) und mit Kündigungsandrohung abgemahnt worden war. Nur wenn Mehrarbeit im Arbeitsvertrag ausdrücklich ausgeschlossen wurde, dürften Überstunden verweigert werden, so das Arbeitsgericht Frankfurt/ Main.
Der Ausgleich: Nach 612 Abs. 1 BGB hat der Arbeitgeber Überstunden zusätzlich zu vergüten, wenn diese den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten waren. Auch ein Ausgleich mit Freizeit ist generell zulässig. Wurde vereinbart, dass Überstunden entweder durch Freizeit oder Geld abgegolten werden sollen, so entsteht der Anspruch auf Zusatzentgelt und möglicherweise vereinbarte Überstundenzuschläge im Zweifel erst nach Ablauf des 6-monatigen Ausgleichszeitraumes. Denn erst dann ist klar, ob die wöchentliche Regelarbeitszeit tatsächlich überschritten wurde (Bundesarbeitsgericht, 5 AZR 385/02). Bis dahin könnte der Arbeitgeber schließlich noch Freizeit geben.
Die Bezahlung: In manchen Arbeitsverträgen wird jedoch versucht, den Ausgleichsanspruch einzuschränken oder sogar ganz auszuhebeln. Überstunden seien bereits mit dem Gehalt abgegolten. Dabei gilt: Es ist durchaus zulässig, dass Überstunden mit dem regulären Gehalt oder einer Pauschale zum Gehalt abgegolten sein sollen, vor allem bei Führungskräften. Eine solche Klausel ist nach einem Urteil des Landesarbeitsgericht es Schleswig-Holstein aber nichtig, wenn “ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht” (Az: Sa 147/02).
Arbeitszeitgesetz setzt Grenze für Überstunden pro Tag
Die Grenze: Eine Grenze für Überstunden zieht das Arbeitszeitgesetz. Die tägliche Höchstarbeitszeit beträgt demnach acht Stunden. Der Arbeitgeber kann jedoch bis zu zehn Stunden pro Tag seinem Personal abverlangen, wenn über sechs Monate gesehen eine Durchschnittsarbeitszeit von acht Stunden erreicht wird. Mit anderen Worten: Mehrere Wochen oder Monate mit extremer Schufterei sind nach dem Arbeitszeitgesetz zulässig, wenn z.B. durch einige freie Tage der 6-Monats-Schnitt stimmt. Dabei ist zu beachten: “Die Höchstarbeitszeit bezieht sich auf Werktage, so dass Samstage mitzählen”, sagt Rechtsanwältin Genkin. Theoretisch sind deshalb vorübergehend sogar 60-Stunden-Wochen zulässig.
Die Beweispflicht: Möchte ein Arbeitnehmer Überstunden bezahlt bekommen, so muss er nicht nur beweisen können, dass der Arbeitgeber die Überstunden angeordnet oder zumindest geduldet hat. Er muss außerdem darlegen können, an welchen Tagen und Tageszeiten er über die reguläre Arbeitszeit hinaus tätig war (Bundesarbeitsgericht, Az: 5 AZR 319/04). Es empfiehlt sich daher, ein Überstunden Protokoll zu führen und die Angaben von einem Vorgesetzten abzeichnen zu lassen. Protokoll-Muster gibt es teils gratis im Internet.
Zusammenfassung
- Fast jeder zweite Arbeitnehmer in Deutschland wird erwartet, dass er Überstunden leistet.
- Der Arbeitgeber kann auf die so genannten Nebenpflichten eines Arbeitnehmers pochen, um Schaden für das Unternehmen zu vermeiden.
- Wer Überstunden verweigert, riskiert eine Abmahnung oder sogar eine Kündigung.