Verlustangst ist ein schlechter Ratgeber, insbesondere bei der Geldanlage. Denn die weit verbreitete Furcht vor Verlusten lässt vor allem Privatanleger falsche Entscheidungen treffen. Diese bescheren oft schmerzliche Verluste oder weit weniger Gewinn, als bei klarem Kopf möglich gewesen wäre. Aktuell zeigen dies die zurückliegenden knapp fünf Jahre seit Ausbruch der Finanzkrise im Herbst 2008.
Es klingt paradox, ist aber viele Male wissenschaftlich nachgewiesen: „Der Schmerz bei finanziellen Verlusten ist deutlich größer als die Freude an einem Gewinn“, sagt Reinhard Berben, Geschäftsführer Deutschland der Fondsgesellschaft Franklin Templeton Investments. Wissenschaftlich erwiesen wurde dies spätestens Mitte der 90er Jahre durch eine Studie der beiden Verhaltenspsychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky (veröffentlicht im Jahr 1999 im „Journal of Behavioral Decision Making“, 12 unter dem Titel „Mental Acounting Matters“).
Kahneman und Tversky stellten den Studienteilnehmern den Gewinn eines Bargeldpreises in Aussicht. Folgende Optionen standen zur Auswahl: der sichere Gewinn von 3.000 US-Dollar, eine 80-prozentige Chance auf einen Gewinn von 4.000 US-Dollar sowie das 20-prozentige Risiko, keinen Cent zu gewinnen. 90 Prozent der Probanden entschieden sich für die sicheren 3.000 US-Dollar.
Studien zur Verlustangst zeigen bizarre Ergebnisse
In einem zweiten Versuch hatten die Teilnehmer der Studie ebenfalls die Wahlmöglichkeit: dem sicheren Verlust des Startkapitals in Höhe von 3.000 US-Dollar; die 80-prozentige Chance aus dem Startkapital 4.000 Dollar zu machen oder die 20-prozentige Chance, keinen Cent zu verlieren. Fast 90 Prozent der Personen entschieden sich dafür, nichts zu verlieren. Obwohl diese Option statistisch gesehen diejenige mit dem größten Risiko war. Als im Jahr 2008 mit dem Zusammenbruch der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers die weltweite Finanzmarktkrise eskalierte, waren Verlustängste verständlich. In jenem Jahr verlor der Deutsche Aktienindex Dax um rund 40 Prozent.
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„Aber Anleger, die sich in den beiden darauf folgenden Jahren von ihren Ängsten beherrschen ließen und deshalb weiter Bankguthaben statt Aktien und Aktienfonds bevorzugten, verpassten an den Börsen teils hohe Gewinne“, sagt Franklin-Templeton-Geschäftsführer Berben. So sprang der Dax im Jahr 2009 um knapp 23 und in 2010 um fast 16 Prozent nach oben. Ähnlich gut oder sogar noch besser war die Wertentwicklung an vielen anderen Aktienmärkten rund um den Globus. Deutlich höher waren die Gewinne im Jahr 2012, als allein das deutsche Elite-Barometer um nahezu 30 Prozent nach oben sprang.
Doch dieser Wertgewinn von knapp einem Drittel bei den 30 Top-Firmen in Deutschland kam bei den meisten Privatanlegern kaum an. Denn nach Angaben der Deutschen Bundesbank hielten die privaten Haushalte zwischen Pinneberg und Passau zur Jahresmitte 2012 fast zwei Billionen Euro liquide Mittel als Bankguthaben. Allein im Jahr 2011 wuchsen die Bankeinlagen und das Bargeld im Vergleich zum davor liegenden Jahr um rund 67 Milliarden Euro.
Inflation bedeutet ebenfalls Verlust
Bei genauem Hinsehen bieten Bankeinlagen eine nur vermeintliche Sicherheit. So sollten insbesondere
Privatanleger sorgfältig unterscheiden zwischen der nominellen und der realen, also der inflationsbereinigten Wertentwicklung ihres Vermögens. So betrug die Wertentwicklung des EONIA (Eurotagesgeldzins) vom 1.1.2003 bis 31.12.2012 nominal 21,6 Prozent, inflationsbereinigt jedoch nur einen Bruchteil davon, nämlich 2,6 Prozent. Seit Zuspitzung der Finanzkrise haben die großen Notenbanken ihre Leitzinsen auf ein historisch niedriges Niveau gesenkt. Deshalb ist zu befürchten, dass die Schere zwischen dem nominellen und realen Ertrag von Bankeinlagen künftig weiter auseinander geht. Insbesondere die Kombination aus auch künftig sehr niedrig verzinsten Bankeinlagen und möglicherweise höheren Inflationsraten, die spürbar über dem EZB-Ziel von jährlich nahezu zwei Prozent liegen, sind ein erhebliches Risiko für die langfristige Geldanlage.
Mehr noch: Festgeld- und sonstige Bankkonten dienen bei anhaltend hoher Inflation nicht dem Vermögensaufbau, sondern sie erweisen sich als Vermögensvernichter. Ein Beispiel: 1.000 Euro haben in zehn Jahren bei einer Inflationsrate von 3,0 Prozent im Schnitt nur noch eine Kaufkraft von knapp 750 Euro (siehe Tabelle Inflation). Sachwerte wie Aktien und Aktienfonds schützen indes vor Kaufkraftverlusten durch Inflation.