Widerruf Lebensversicherung: Geld-zurück-Urteil für Millionen (IV ZR 76/11GH)

Nach dem EuGH-Urteil (C-209/12) zum Widerruf bei Lebensversicherungen hat heute der Bundesgerichtshof (BGH) möglicherweise Millionen Kunden die Chance verschafft, noch nach Jahren die Lebens- oder Rentenversicherung zu widerrufen und einen Großteil des Geldes plus Zinsen zurückzufordern – wegen ungerechtfertigter Bereicherung der Versicherungsgesellschaft (Az: IV ZR 76/11).

Das betrifft Lebensversicherungs-Verträge, die zwischen 1994 und 2008 abgeschlossen wurden. Dabei gingen die Versicherer oft davon aus, dass der Vertrag spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie geschlossen worden sei – egal ob der Verbraucher jemals eine vollständige Belehrung, eine falsche oder überhaupt eine Belehrung bekommen hat. Das wurde “Policenmodell ” genannt, weil die Einjahresfrist angeblich mit Übersendung der Police lief.

Bundesgerichtshof: Lebensversicherung ungerechtfertigt bereichert

Von wegen. Selbst nach fast 10 Jahren konnte ein Allianz-Kunde laut aktuellem BGH-Urteil wirksam den Widerruf geltend machen – und muss nun einen Großteil der Prämien zuzüglich Zinsen zurückbekommen. Der Bundesgerichtshof teilt dazu mit:

Der Kläger kann dem Grunde nach aus ungerechtfertigter Bereicherung Rückzahlung der an die Beklagte gezahlten Prämien verlangen, weil er diese rechtsgrundlos geleistet hat. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Rentenversicherungsvertrag ist auf der Grundlage des § 5a VVG a.F. nicht wirksam zustande gekommen, weil der Kläger rechtzeitig den Widerspruch erklärt hat.

Wer zwischen 1994 und 2008 seine Lebensversicherung abgeschlossen hat (Kapitallebensversicherung, Rentenversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung, Todesfallversicherung), kann demnach noch heute sein Widerrufsrecht ausüben, das Geld zurückfordern, sofern die Widerrufs-Belehrung bei Abschluss der Lebensversicherung nicht ausreichend war. Aber der Bundesgerichtshof hat auch entschieden:

Der Versicherungsnehmer hat während der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen. Erlangter Versicherungsschutz ist ein Vermögensvorteil, dessen Wert zu ersetzen sein kann. Dieser kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen.

Das bedeutet, dass der Wert des Versicherungsschutzes abgezogen wird. Bei einer Kapital-Lebensversicherung oder einer Rentenversicherung macht das vielleicht 10 Prozent aus, bei einer Risiko-Lebensversicherung deutlich mehr.

[highlight]Andreas Kunze meint: Das ist für alle Kunden eine Option, die sowie kündigen wollen oder eine Beitragsfreistellung planen und mit dem späten Widerruf mehr Geld erhalten würden als an Rückkaufswert.[/highlight]

Video-Tipp: Widerruf besser als Kündigung der Lebensversicherung (ARD):

Lebensversicherung_Widerruf_Kuendigung

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